Interview Gerald (61)

Über Geralds Fahrrad stolperte ich beim Einkauf in der Wuppertaler City. Erstens gibt es da kaum andere Fahrräder, zum anderen: so ein selbstkonfiguriertes Pedelec (so wie mein eigenes) ist doch recht auffällig. Bei näherer Inspektion musste ich laut auflachen, da auf einem kleinen Schildchen eine Telefonnummer stand und ein Name, den ich beim letzten Interview schon gehört hatte: Gerald.
Also habe ich ihn angerufen, einen Termin ausgemacht und wir haben über Pedelecs und speziell Pedelecs in Wuppertal bei ihm zu Hause auf dem Küllenhahn gefachsimpelt.

Die Sambatrasse ist ja ganz schön langweilig. Wald – Kurve – Wald …

Die Sambatrasse ist nicht langweilig, wenn ich da mit einem schnellen E-Bike mit 25 km/h hochfahre.

Sag mal, ist das eigentlich ein 500-Watt Motor in deinem Vorderrad?

Ja, zu meinem 50. habe ich mir bei Hans-Arnold einen Mountain-Bike-Rahmen gekauft. In den haben wir dann einen 500-Watt Motor eingebaut.
Mit einem Fahrrad ist die Talsohle im Sommer ja kein Thema. Aber beim Runterfahren will ich ja nicht totfrieren und oder bergauf nicht im Regenzeug schwitzen. 

Du hast noch Spikes montiert?

Ja, bis zum 1. April. Die lassen sich ja mit dem Luftdruck varieren. Bei 2 bar geht das gut durch den Schnee, sonst 4 bar, damit die nur beim Kippen greifen und nicht die ganze Zeit Geräusche machen. Ich mag wenig Geräusche.

Aber Vorderradantrieb mit 500W?

Ja, dreht manchmal durch. Günstiger ist es sicherlich im Hinterrad. Beim nächsten Mal. Aber das Daumengas ist super.

Dafür brauchst Du doch eigentlich ein Versicherungskennzeichen!

Hab ich auch. In der Packtasche.
Als ich das noch montiert hatte und auf der Nordbahntrasse gefahren bin, ist jemand ganz schnell hinter mir hergefahren und hat mir gesagt, dass ich damit hier nicht fahren dürfte. Ich hab ihn nur blöd angeguckt und er hat dann gesagt, dass die Polizei hier Streife führe.
Seitdem hab ich es in der Packtasche und keinen Stress mehr.

Rekuperation?

Ne, die preisgünstige Version. € 1.100. Sonst bekommst Du die Leistung ja erst am € 3.000 – 3.500. So hat mich das Rad € 2.300 – 2.400 gekostet. Als ich den Motor zwei Tage lang montiert hatte, ist mir die ursprüngliche Federgabel kaputt gegangen. Seitdem habe ich eine CroMo-Gabel und lange Drehmomentstützen. In den ersten Wochen habe ich neurotisch nach Rissen geguckt, hält jetzt aber auch schon 5-6 Jahre.

Scheibenbremsen?

Ich hatte erst Magura, dann ist da ein Hebel kaputtgegangen und dann fand ich auf dem Weg zum Wildmann einen Karton mit Fahrradteilen im Wald. Der Wildmann hat mir dann die erstaunlich gut erhaltene Scheibenbremse aus dem Fund eingebaut.

Wie bist Du auf den Vorderradmotor gekommen?

Den gibt es bei einem in Köln, der Direktimporte aus China macht – den habe ich nacher noch angesprochen, ob ich noch einen weiteren Motor ins Hinterrad einbauen kann. Uh – da war er gar nicht für – man müsse da besser auf 48 Volt, dann noch einen weiteren Controller und dann läge man bei € 4.000.

500 Watt – da stelle ich mir 45 km/h vor.

45 km/h aber bitte nur mit Rückenwind. 30 – 35 km/h ist so die Reisegeschwindigkeit. Ich hab, seit ich den hohen Lenker vom Sperrmüll habe, ja auch einen recht hohen Windwiderstand.

Du hast mal mit Hans-Arnold zusammen einen Laden gehabt?

Wir haben sogar zusammen mit den Fröhlich-Brüdern einen Fahrradkurier gegründet. In Wuppertal, trotz Regen und Berge: Pedalero.
Wir sind da sehr idealistisch rangegangen. Aber ich habe dann als diplomierter Maschinenbauer fürs Unterrichten an der Berufsschule DM 45 die Stunde bekommen. Der Hans-Arnold hat auch für Behinderte richtig technisch anspruchsvolle Gefährte gebaut, aber bei mir war nach dem 500. geflickten Schlauch auch die Luft raus.

Du bist in Wuppertal aufgewachsen?

Am Norrenberg. Da hatte ich dann zu Schulzeiten so einen 3-Gang-Panzer und Fahrradfahren nie wirklich geliebt. Mit 16 dann Mopped, mit 18 Motorrad, mit Mitte 20 Papa. Dann Beiwagen, dann 2. Kind, dann Auto.
Als ich etwa 30 war, waren wir mit mehreren im Steinbruch Canyon/ Grube 7 schwimmen, und ich musste telefonieren. Die nächste Telefonzelle stand in Gruiten. Da hat mir eine dann ihr Rennrad geliehen. Das war so leicht, das ging so schnell, von da an war mir klar:

Ich will Fahrrad. Ich will Wuppertal mit Fahrrädern überschwemmen.

Und dann habe ich, da ich grade arbeitslos war, bei der DB Fahrräder für DM 50 gekauft und für 150 verkauft. Es versucht. Es hat auch ein Mal geklappt.

Also, von 16 bis 30 überhaupt kein Fahrrad. Aber dann! Ich habe auch versucht Elektro-Autos zu verkaufen, kennst Du noch diese City-El’s? Um Händler zu sein, musste man zwei kaufen, mit nem Kumpel zusammen habe ich dann zwei verkauft.
Aber weißt Du, worauf ich richtig heiß bin? So ein Tesla mal probefahren – das wäre was. Ein Bekannter hat sich dafür sogar verschuldet einen zu besitzen.

Du fährst mit dem Rad zur Arbeit

Morgens bin ich fit und wach. Und nach der Schule, wenn ich dann nach Hause gestrampelt bin, ist der ganze Stress weg.
Früher gab es noch die Ute Malerin, die hieß zwar nicht so, aber die malte. Die hat ihre ganzen Plünnen auf einen Hänger gepackt: Leiter quer hinten drauf und so. Sah wild aus.

Welche Strecke fährst Du üblicher Weise vom Küllenhahn nach Barmen?

Sambatrasse – dann beim Todtenberg auf die Waldesruh und dann quer hoch zur Nordbahntrasse. Ich mag es ohne Autos zu fahren. Bei Regen fahre ich aber nicht so gerne auf der Sambatrasse, die saut dann das Rad so ein. Dann lieber über Lichtscheid und dann die Barmer Anlagen schön idyllisch durch den Wald runter. Für die Strecke brauche ich 25 – 35 Minuten, je nach dem.

Bist Du auch ohne E-Bike schon mit dem Rad zur Arbeit?

Ja, aber nicht so häufig. Das Rennrad kommt auf dem Nachhauseweg in den Bus. Bei Regen bin ich nie gefahren. Aber mit dem E-Bike kannst Du ja beliebig viele wasserdichte Schichten anziehen.

Du bist früher ja auch Liegerad gefahren

Ja, Liegedreirad! Der Kinderladen war in Vohwinkel – da gibt es diese steile Brücke über das Sonnborner Kreuz. Auf dem Rad konnte ich beide Kinder transportieren. Nur bei der Brücke musste meine Tochter, die hinter mir saß, immer absteigen und schieben. Der Kleine vorne konnte sitzen bleiben.
Aber ich fahre ja nicht nur zur Arbeit mit dem Rad, sondern auch samstags und sonntags und hab mir jetzt auch einen 20-Ah-Akku gekauft. Kostete € 900, hält dann aber auch 40 km.

Stolzer Preis

Das Biest wiegt 27 kg. Aber ich komm deutlich weiter – zur Wuppertalsperre. Und mit dem Daumengas strengst Du Dich selber nur so viel an, wie Du willst.
Und dieses Trassenradlen ist super: schnell und zügig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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