Verdorfung des Arbeitsweges

Morgens, im Winter

Rurales Wuppertal

Ah, der Mann mit den Kindern! ist die für diesen Artikel initiale Aussage.

Seit ich mit diesem Schleppanker morgens und abends unterwegs bin, bin ich nicht mehr interessiert, die Umgebung kennenzulernen, sondern den Weg des geringsten Widerstands zu fahren – den kürzesten in diesem Fall.

Ein weiterer Aspekt zur Verdorfung ist nicht nur, dass ich jetzt seit einem halben Jahr den gleichen Weg fahre, sondern auch immer etwa zur gleichen Uhrzeit ±10 Minuten unterwegs bin. Das führt dazu, dass nicht nur ich die Leute (und ihre Hunde) kenne, sondern sie auch mich. Das daraus entstehende gegenseitige Wahrnehmen und Grüßen bezeichne ich als Verdorfung.

Ich sehe die gleichen Leute morgens auf den Bus warten, die gleichen Hunde (Frauchen (morgens) und Herrchen (abends) wechseln sich bei manchen ab), sogar die gleichen Gesichter hinter den Frontscheiben der entgegenkommenden Fahrzeuge.

Und hier fiel mir auch der große Unterschied zu meinem bisherigen Pendeln auf:

Während in Bussen oder Zügen eher das Verhalten wie in Fahrstühlen vorherrscht – man befindet sich gezwungener Maßen im gleichen geschlossenem Gerät – und schweigt sich an – ist das Territorial-Verhalten auf “dem eigenen Kiezanders.

Im Straßenverkehr jenseits des eigenen Kiezes im geschlossenem Wagen wiederum herrscht die StVo – es gibt Regeln und alle halten sich dran, weil verbal nicht miteinander kommuniziert werden kann. Und Improvisation im Zusammentreffen/ Begegnen kann teuer werden –
wenn ich auf ein Hund-Mensch-Gespann treffe, dann ist mir egal, ob der Hund die rechte oder die linke Seite des Weges grade interessanter findet; oder ich auf den Jogger auf dem schmalen Weg etwas warte, damit der nicht aus seinen Rhythmus muss.

Klar, dass sich dann bedankt wird und ich selbst in der Wahrnehmung des jeweiligen Gegenübers stattfinde. Somit verdorft mein Weg zur Arbeit.

“Ah, der Mann mit den Kindern” ist der Ausspruch eines Mannes (mit Hund), der sich vor zwei Jahren noch erschreckte, wenn ich ihn von Hinten überholte. Inzwischen hört sich das wohlgesonnener an.

Fazit:
Verdorfung wird bedingt durch folgende Faktoren:

  • gleiche Strecke
  • gleiche Uhrzeit
  • längerer Zeitraum
  • keine Benutzung von Integralhelmen oder geschlossenen Fahrzeugen
  • geringe bis mäßige Personenanzahl wahrnehmbar
    ( < 5 Kontakte pro km oder < 1 Kontakt pro Minute)

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert